eBook Spirituelle Sterbebegleitung
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eBook Spirituelle Sterbebegleitung

Auszüge aus dem Inhalt

Auszüge                                               

Aus Kapitel 2

Hoffnung und Bedeutung im Sterbeprozess


Während des Transformationsprozesses gibt es tiefgehende Veränderungen in der Qualität der Hoffnung.
Hoffnung in ihrer bisherigen Form ( z.B. Hoffnung auf die Fortsetzung seiner Existenz ) wird weggewaschen wie die sich auflösenden Buchstaben eines Gebets auf einem Sandstrand. Im Auf- und- Ab während der Zerreissprobe einer tödlichen Krankheit ist es schwer, zu sagen, ob die Hoffnung weggenommen oder aufgegeben wird. Hoffnung an sich wird schwierig. Der Mensch wird zerrissen zwischen dem Verlangen zu leben und der Angst, dass das nochmalige Zulassen von Hoffnung nur noch mehr Unglück erzeugen wird, wenn die Behandlung wieder versagt. Wie ein Sterbender sagte: Die Verzweiflung kann ich aushalten. Es ist die Hoffnung, die ich nicht ertragen kann.

Hoffnung ist verwirrend und zweischneidig. "Sollte ich es einfach akzeptieren, dass ich sterbe?" " Sollte ich den Kampf aufgeben?" " Wollen die Menschen, die mich lieben, nicht, das sich einen Kampf beginne?"
"Was sagt es über mich, falls ich mich nicht an die Hoffnung klammere?" " Was wid geschehen, falls ich nicht an der Hoffnung festhalte?" " Wie kann ich mich an der Hoffnung festhalten, wenn es der Wirklichkeit ins Gesicht schlägt ?" "Bin ich ein Aufgeber?" "Sollte ich stärker hoffen?" " "Worauf sollte ich hoffen?" Menschlich zu sein bedeutet, diese Fragen zu stellen. Solche Fragen spiegeln die Zweifel und Ängste wieder, die natürlicherweise in unserem verlorenen und dahintreibenden Zustand an der Peripherie aufsteigen, abgeschnitten vom Zentrum, unserer essentiellen Natur.

Hoffnung ist in unserer Kultur genauso verwirrt wie das Konzept von Gerechtigkeit.

Beide sind eine völlig menschliche Kreation, emotionsgeladene Vorstellungs- Bruchstücke des sich getrennt fühlenden Selbst. Beide Konzepte, Hoffnung und Gerechtigkeit, sind im mentalen Ego verwurzelt. Beide stellen Gott als etwas da, das völlig " der Andere" ist. Beide steigen in Situationen auf, die jenseits der Kontrolle des Einzelnen sind, und beide bitten die Vorstellung eines Gottes als etwas Größeres als das Individuum, das wahrscheinlich alles kontrolliert, sich den Wünschen des Individuums zu beugen, so dass das Individuum weiterhin alles kontrollieren kann.
Da es keine Realität hat, trägt sich die Belastung, "nicht die Hoffnung zu verlieren", schliesslich ab.

Wie ein Schirm, der in einem starken Sturm zu oft geöffnet wurde, bietet die Hoffnung keinen Schutz mehr, und man kann nicht mehr länger so tun als ob. Hoffnung wird schliesslich im Lauf der Transformation einer tödlichen Krankheit als das erkannt, was es ist: ein Anklammern an einen Wunsch nach etwas anderem als dem, was ist.
Wenn sich die Hoffnung auflöst, verbleiben wir mit dem Hier und Jetzt. Hoffnung, eine Haltung des mentalen Ego, wird in Präsenz transformiert, einer Haltung der Seele.

In dem frontalen Zusammenstoß zwischen einer tödlichen Krankheit und dem persönlichen Bewusstsein des Ego ist Hoffnung fast immer die erste machtvolle Psychodynamik, die in den Vordergrund tritt. Sie steigt mit der ersten Andeutung der Tragödie auf. Hoffnung ist eine kraftvolle Konstellation aus menschlichen Emotionen, Glaubenssätzen und Vorstellungen, aber es ist ein schmerzhafter Spielplatz.

Für das mentale Ego, das Ich, dass einer tödlichen Prognose begegnet, bedeutet Hoffnung typischerweise eines: die Fortsetzung des Selbst. Dies ist der Gedanke: Ich weiß, dass alle Dinge vergänglich sind, dass alles vorübergehen muss...und doch...und doch...

Der Tod fängt unsere Aufmerksamkeit ein und richtet sie zurück auf die Gegenwart.
Heilung entfaltet sich automatisch und natürlich aus der Gegenwart.
Eine tödliche Krankheit ist eine Situation ohne Ausgang, abgesehen von dem der Selbsttötung.
Es gibt keinen Ausweg. Der Zustand ohne Ausweg konzentriert die Aufmerksamkeit; sie erzwingt Wachsamkeit.
Eine tödliche Krankheit zwingt uns, viele wahrscheinlich zum ersten Mal, nach innen zu schauen.
Es könnte sehr gut die einzige Erfahrung sein, die stark genug ist, um die meisten von uns zu zwingen, uns anzuschauen, wer wir zu sein glauben, und was wir darüber denken, worum es in diesem Leben überhaupt geht.

In diesem Sinne könnte man sagen, dass uns eine tödliche Krankheit zur Gnade führt. Es bringt uns auf eine Weise mit uns selbst in Berührung, wie es keine Stolperschritte der lebenslangen Versuche , ein Selbstbildnis aufrechtzuerhalten, geschafft haben. Es löst eine Überprüfung dessen aus, was versucht, uns vor dem Leben zu schützen.

Der Sterbeprozess drängt darauf, dass wir achtsam sind, dass wir präsent sind mit der Moment- zu- Moment Erfahrung des" Lebens mit einer völligen Katastrophe", wie Jon Kabat- Zinn es nennt, so wie die meisten von uns noch nie vorher präsent waren. Mit wachsender Achtsamkeit, mit täglich erzwungener Begegnung mit Angst und neuem Verlust, kommt Desidentifikation. Die Welt, so wie man sie sich immer vorgestellt hatte, wird ent-wirklicht.

Die Bewegung in den gegenwärtigen Moment bringt Veränderungen in der Identität, Veränderungen in den bekannten und erfahrenen Bewusstseinsebenen mit sich. Gleichzeitig aufsteigend geschehen Veränderungen in der Bedeutung. Bedeutung ist ist eine machtvolle Psychodynamik in der Transformation von der Tragödie zur Gnade.
Bedeutung ist die Zuordnung eines sinnvollen Kontext zu dem erfahrenen Leiden.

Es ist ein bedeutungsvoller Aspekt der Persönlichkeit, und, wie Victor Frankl es ausdrückt, kämpft jeder von uns um eine Bedeutung im Chaos unseres Leidens. Unsere Fähigkeit, intuitiv eine Bedeutung zu finden, die einen Wert hat, Tiefe und Wirklichkeit, steht direkt in Beziehung zu der Mühelosigkeit unserer Transformation.
Wir sterben heutzutage in einer Weltära des Übergangs mit wenigen Vorbildern von Bedeutung. Wo verschiedene andere Kulturen tiefe und spirituelle Anleitung für diese zutiefst bedeutungsvolle Passage angeboten haben, werden wir auf unserem Weg von medizinischem und Hospiz- Personal begleitet, den weltlichen Begleitern im Sterben in unserer Kultur. Anstelle von Gebet und Chanten haben wir genau so wahrscheinlich einen lautstarken Fernseher und die rauhen Geräusche einer Lautsprecher- Anlage im Krankenhauses um uns.

Es ist fast unmöglich, an der Peripherie des Lebens Klarheit zu finden für Einsichten in den tiefen Prozess, der im Zentrum stattfindet. Unsere kulturellen Scheuklappen für die spirituelle Welt, für die transpersonalen Bereiche, haben uns ihrer Bedeutung beraubt zurückgelassen, einsam kämpfend mit dem Chaos des psychischen Verfalls und der physischen Auflösung. Wirklich, mein Herz ist voller Mitgefühl für die Mitglieder dieser Gesellschaft in ihrer Begegnung mit dem Tod.

Wir als Mitglieder einer spirituell verarmten Kultur haben darin versagt, einen angemessenen Kontext sowohl für unser Leben als auch unser Sterben zu erschaffen.

Bedeutung, die uns helfen kann, Leiden mit fruchtbaren Ergebnissen zu ertragen, verändert sich durch die ablaufenden Muster des geistigen Abbaus und Neuaufbaus. Anfänglich wird die Bedeutung des Leidens in einer tödlichen Prognose durch die Augen einer Identität, einer Persona ( Maske) gesehen, die noch nicht einmal ihren eigenen Schatten anerkennt hat. Ich habe erlebt, auf wie verschiedene Weise die tödliche Prognose gesehen wird. Ziemlich viele sehen ihre tödliche Prognose als Bestrafung, die schon länger als Vergeltung für selbst beurteilte Fehltaten befürchtet wurde. Einige sehen die tödliche Prognose traurig und erschüttert als eine Aussage des Lebens über ihren Mangel an individuellem Wert in diesem Universum. Manche sehen es als hartes Schicksal und verfluchen ihren Schöpfer. Andere, die ich gekannt habe, nehmen ihre tödliche Krankheit als Herausforderung, der man mit Mut begegnen kann. Und wieder andere sehen es als einen weiteren Punkt in der langen Liste bitterer Enttäuschungen- ein weiterer ranziger Bissen, der geschluckt werden muss.
Ich war einmal beim Sterben einer vierundneunzigjährigen Frau anwesend. Sowohl sie selbst als auch ihre Familie verfluchten das "Schicksal", und schrien wieder und wieder: Wie kann Gott ihr das antun?
Und einmal war ich im Krankenhaus am Totenbett eines jungen Mannes in den vierzigern, der an Lungenkrebs starb. Ein fanatischer Prediger, der gekommen war, um "geistigen Trost" zu spenden, sprach zu der Frau des Patienten- in seiner Hörweite: " Und das hier, dieser Krebs und dieser Tod", sagte er laut und bewegte seine Arme zu dem Patienten hin, "das ist der Lohn der Sünde". In jedem Fall sehen wir, wie die Bedeutung, die Interpretation eines Ereignisses, nur auf den biosozialen Grenzen vorgefasster Meinungen beruht.

Eine Bedeutung basierte auf der Überzeugung, dass Gott uns nicht sterben lassen würde, wenn er uns liebte. Die andere Bedeutung basierte auf der Überzeugung, dass der Tod eine Strafe ist. In beiden Beispielen wird die Bedeutung vom mentalen Ego herauf beschworen, das auf der niedrigsten Funktionsebene des Ego arbeitet, der Ebene von unüberprüften Glaubenssätzen( mehr über diese Ebenen in späteren Erklärungen über die sich entwickelnden Bewusstseinsebenen im Menschen, die man im Prozess des Sterbens oft deutlich erkennen kann).
Jedes dieser zugewiesenen Attribute von Bedeutung ist weit entfernt von der Wirklichkeit der Einheit.

Zum Glück für diejenigen, die die transformierenden Bereiche des Sterbeprozesses betreten haben, erzeugen anscheinend unvermeidbare Veränderungen der Bewusstseinsebenen Verschiebungen in der Bedeutung, die den Erfahrungen zugewiesen wird. Interessanterweise wurden vor einigen Jahren in einem Buch, das als ein bedeutungsvoller Beitrag im Bereich der sozialen Psychologie gesehen wurde, Veränderungen in der zugewiesenen Bedeutung in Beziehung zu der Fähigkeit eines Menschen gesehen, mit der Zerreissprobe einer lebensbedrohenden Krankheit umzugehen.

Solche Einsichten in die transformierende Funktion von Leiden sind weit weniger eine Illusion, als die typischen Überzeugungen des mentalen Ego es sind. Solche Einsichten bedeuten, dass eine Ausdehnung des Bewusstseins, Offenheit für ein Wesen und eine Macht jenseits des persönlichen Selbst, der Prozess von Heilung oder Transformation, bereits begonnen haben.
Die Identität des mentalen Ego fragt unvermeidlich „ Warum? “.
Es ist die Natur des Denkens, „Warum"? zu fragen. Wir, die wir keine Antworten haben, suchen nach Antworten auf Fragen, die innerhalb unserer Begrenzungen nicht beantwortet werden können. Und doch, wenn wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit auf diese Fragen nach Bedeutung richten, bemerken wir eine tiefe Veränderung in der Weise, wie wir alles wahrnehmen. Die fiktiven Erklärungen des inneren Dialogs beginnen zu stottern, und in den Zwischenräumen erhaschen wir hier und da wiederholte leuchtende Einblicke des unendlichen Lebens, als der Quelle dieser Welt der Erscheinungen.
Veränderungen in der Bedeutung, die wir den Ereignissen geben, werden geschehen, während sich die Bewusstseinsebene in ein umfassenderes Wissen ausdehnt.
Es geschehen klare Veränderungen von innerer Weisheit, während die Identität über das getrennte Selbst hinausgeht. Mit der Integration von Schatten und Persona/ Maske und von Körper und Geist entsteht die Fähigkeit zur „Visionslogik“: die Wahrheit in einer einzigen um-fassenden Sicht mit den Augen einer tieferen, wesentlicheren, und existenzielleren Einheit zu erkennen.

Ich war einmal bei einem Mann, der in seinem Sterbebett lag, einige Tage vor seinem Tod. Von seinem Platz aus gingen seine Augen direkt zu dem Fenster hinter seinen Füßen. Eingerahmt im diesem Fenster waren der Himmel und ein Baum. Mit flüsterte er zu: Mein ganzes Leben war ich so beschäftigt.. ich glaube, ich habe Blau noch niemals vorher richtig gesehen. Ich habe niemals wirklich Grün gesehen. Bis jetzt… wie wunderschön sie sind. Einmal besuchte ich frühmorgens eine Frau, die von einem Tumor unbeweglich gemacht wurde, der sich um ihre Wirbelsäule gewickelt hatte; sie war in den letzten Stadien ihrer Erkrankung. Sie sprach über die Freude, die sie jeden Morgen erfuhr, wenn sie ihre Augen öffnete und sich atmen fühlte. „Wie wunderschön es ist, zu atmen… jeden Atemzug…ein und aus….ich bin hier“. Dies ist die Bewusstseinsebene, von der aus ich im Sterben liegende Menschen sagen hörte: „Ich habe mich niemals so völlig lebendig gefühlt!“

So wie verschiedene Bedeutungen in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung des mentalen Ego gegeben wurden, so wird Bedeutung auch während verschiedener Stadien der Entwicklung in transpersonale Bereiche unterschiedlich gegeben. Auf der transpersonalen Bewusstseinsebene wird Bedeutung oft durch archetypische und visionäre Intuition ausgedrückt, durch spontane hingebungsvolle und selbstlose Gefühle. „Bedeutung“ wird mehr als „Wert“ empfunden und weniger als „Interpretation“. Wie Abraham Maslow andeutete, sind Selbst- Verwirklichung und Bedeutung eng miteinander verbunden. Selbstverwirklichung ist ein Seinszustand, in dem Bedeutung inbegriffen ist. Immanente Bedeutung ist in jeder Handlung, Gedanken und Momenten von Verbundenheit anwesend.

Der Schmerz in dem Versuch, zu verstehen, unsere Beziehung zum Universum zu klären, beruht auf der irrtümlichen Idee, dass wir getrennt sind. Während unser Gefühl des Getrenntseins dahin schmilzt, betreten wir tiefere Ebenen der Wahrheit, wo Bedeutung offensichtlich wird und nicht mehr artikuliert werden muss. Gedanken können niemals die Wirklichkeit umfassen, denn sie sind so ein kleiner Teil davon. Wir müssen das wahrgenommene Bedürfnis unseres vermeintlich getrennten Selbst nach Verstehen aufgeben, so dass wir die Wahrheit erfahren können. Die direkte Erfahrung von Wahrheit entsteht aus der vertrauensvollen Auflösung im Geistigen, mit der völligen psychischen Integration und Übereinstimmung des Individuums mit der Wirklichkeit.
Wirklich, die Transformation von der Tragödie zur Gnade ist die Transformation vom Verlust des getrennten kleinen Selbst zur Erkenntnis des absoluten Selbst. Eine sterbende Frau wanderte im Bewusstsein hin und her, leuchtend und entspannt, um hin und wieder zu uns zurückzukommen, mit weit geöffneten Augen und erfüllt von Licht. Jedes Mal wiederholte sie mit einem Flüstern: „ Ich kann Euch nicht sagen, wie wunderschön es ist“.

Mit einer tödlichen Krankheit zu leben ist paradoxerweise eine Reise der Heilung.
Oft wird die Frage gestellt: Wie weiß man, wann es Zeit ist, die Suche nach Heilung aufzugeben und sich auf den Tod vorzubereiten? Die Frage kommt aus einem teilweisen Verstehen. In Wirklichkeit sind die Öffnung für Heilung und die Vorbereitung für den Tod dasselbe.
Heilung ist der Prozess, wieder ganz zu werden. Heilung beinhaltet die Wiederherstellung unserer Integrität, das Ausbessern aller bisherigen Dualitäten. Heilung beinhaltet, mit den Ängsten zu leben, die durch unsere selbsterschaffenen Begrenzungen zwischen dem Selbst und Teilen des Selbst erzeugt wurden, zwischen dem Selbst und dem Anderen, dem Selbst und der Welt, dem Selbst und Gott- sie anzuerkennen, mit ihnen fertig zu werden, und mit ihnen umzugehen. Heilung bedeutet auch, uns für die Tiefen unserer Wunden zu öffnen.

Der alchimistische Schmerztigel des Lebens mit einer tödlichen Krankheit reduziert uns darauf, einfach zu sein. Es verändert radikal die Antwort auf die Frage "Wer bin ich?".  Das Zerbrechen des Herzens geht der Auflösung des Körpers voran. Das Zerbrechen des Herzens erlaubt ihm, paradoxerweise, offen und voll zu werden, aufweicht von Schmerz und Enttäuschung, verletzlich für jeden einzelnen Moment. Man kann den Unterschied wahrnehmen, nachdem das Herz in seine Offenheit und Fülle gebrochen ist. Es liegt etwas in der Luft; Es ist fühlbar. Da ist ein deutliches, magnetisches Gefühl, eine Gefühl, in das intensive Sein desjenigen zu verschmelzen, der im Sterben liegt. Einige Besucher finden es zu unangenehm und laufen davon. Diejenigen, die bleiben, verschmelzen auch mit der Intensität und Tiefe. Diese Momente sind wirklich, authentisch, irgendwie in Raum und Zeit angehalten, unbeschreiblich und unvergesslich.

Die Durchdringung der illusorischen Vorstellungen des mentalen Ego über die Natur des Selbst und die Natur der Wirklichkeit scheint ebenfalls der Auflösung des physischen Körpers vorauszugehen.
Das Durchdringen unserer Illusionen, die uns so teuer waren, erlaubt dem Geist, leer zu werden und Frieden zu empfinden.

Ken Wilber sagt es so: " Leiden zerschlägt die Selbstgefälligkeit unserer normalen Fiktionen über die Wirklichkeit und zwingt uns, auf eine besondere Weise lebendig zu werden- sorgfältig zu schauen, tief zu fühlen, uns selbst und die Welt auf eine Weise zu berühren, die wir bis hierher vermieden haben. Man sagt, und tatsächlich denke ich auch so, dass Leiden die erste Gnade ist."

Hier finden wir Heilung: das Phänomen des Verstandes und das Herz kommen wieder ins Gleichgewicht in einem überfliessenden Moment der Ganzheit. Und, ganz natürlich und von selbst, steigt Gnade auf, wenn die Arbeit der Heilung beginnt.

Nach einer gewissen Zeit im Prozess des Akzeptierens der tödlichen Diagnose wird der Sturm wirklich ruhiger. Eine tiefe Heilung ist bereits und natürlich geschehen. Der Fokus der Aufmerksamkeit ist nicht mehr auf die Wellen an der Oberfläche gerichtet, sondern tiefer auf das bewegungslose Zentrum. Die Bewegung ist die von einer anfänglichen Zeit von psychischem Schmerz und Unruhe, ein Entreissen von allem, was man glaubte oder hoffte, was das Selbst zu sein schien, hin zu einer Zeit der Öffnung in die Fülle, während man von der Kraft des Urgrunds des Seins erfüllt wird. Es ist ganz einfach eine Wiedergeburt. In der Stille, die nach dem anfänglichen Chaos und der unvermeidbaren Hingabe aufsteigt, hat schon ein völlig anderes Wesen begonnen zu entstehen.

Ich war gesegnet genug, mit Theresa zu arbeiten, einer sterbenden jungen Frau, die in meiner Erfahrung von ihr, durch Qualitäten wie Einfachheit, Akzeptieren, Dankbarkeit und Mut erkennbar war. Bei unserer ersten Begegnung gab sie zu verstehen, dass sie sterben würde, und bat mich, sie Meditation zu lehren. Also sassen wir zusammen auf der Erde in ihrem kleinen Appartment, und meditierten. Sie liebte es. Man konnte es in ihrem Gesicht sehen, ihrem Ausdruck, ihrer Energie.

Obwohl sie sagte: " Ich mache das jetzt jeden Tag", kamen so viele Ablenkungen in die Quere, so viele praktische Dinge brauchten Aufmerksamkeit, dass sie es fast unmöglich fand, es wirklich zu tun. Schmerz war ein ständiges Thema, um das wir uns kümmern mussten. Zu krank, um zu arbeiten, wurde sie entlassen. Sie musste einen Platz zum Leben finden, während sie starb. Sie fand ihn, in einem Gemeinschaftshaus für ältere Leute, wo sie einen grossen Teil des Tages und der Energie jedes Tages damit verbrachte, für sie zu kochen, sie zu massieren, sie zum Lachen brachte und ihnen half, sich wieder jung zu fühlen. Als sie immer kranker wurde, hörte ihr Sohn auf, sie zu besuchen, weil er es wählte, sich "so an sie zu erinnern, wie sie gewesen war ". Sie musste sich viel mit dem Schmerz dieses Verlassenwerdens auseinandersetzen. In den Zeiten unseres Zusammenseins meditierten wir auf ihre Bitte hin, aber sie bedauerte es, dass immer etwas aufzutauchen schien, dass sie daran hinderte, ihr Versprechen einer täglichen Meditationspraxis an sich selbst einzuhalten.

Als sie der Erfahrung des herankommenden Todes näherkam, kamen Krebs- Metastasen in ihr Gehirn. Zu dieser Zeit, sicher in einem Hospizhaus, war sie verwirrt und redete oft zusammen-hangslos. Ich besuchte sie weiterhin, ohne jemals ein bedeutendes Gespräch zu haben, aber immer mit einer wesentlichen Herzens-Verbindung. Nach Wochen in ihrer Verwirrung und einige Tage vor dem Eintritt in ein Todeskoma sagte Theresa ganz klar zu mir:
" Das ist alles, was ich jetzt mache- meditieren...".


Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden  Bach des Lebens. - F. Nietzsche

Aus Kapitel 1

Wenn ein geliebter Mensch stirbt.
Die Suche nach der tieferen Bedeutung unseres Daseins


Das Schlimmste ist das Gefühl der Ohnmacht. Nichts tun können, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Wenn unaufhaltsam jeder stirbt, was ist dann dieses Leben?

Die Offenbarung: Das Leben ist ein Traum-
Ein Freund kam zu mir. Seine Freundin liegt im Sterben. Er war sehr besorgt und aufgewühlt. Das ist natürlich. Wenn jemand stirbt, den du zutiefst geliebt hast, dann bringt das deinen eigenen Tod näher. Der Moment des Todes ist eine große Enthüllung. Er gibt dir ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Ein Gefühl, als ob du nicht mehr wärst. Die Illusion zu sein, verschwindet.

Der Freund weinte. Er ist normalerweise nicht ein Mann, dem Tränen leicht fallen oder der sich schnell hilflos fühlt. Normalerweise konnte er überhaupt nicht weinen. Aber er war zutiefst erschüttert. Jeder würde das an seiner Stelle sein, denn plötzlich siehst du, wie es dir den Boden unter den Füßen wegzieht. Du kannst nichts tun. Jemand stirbt, den du liebst. Du würdest gerne dein eigenes Leben geben, wenn du könntest, doch du kannst es nicht. Nichts kann getan werden. Man kann nur in tiefer Hingabe auf den Tod warten.
Dieser Moment kann dich traurig und bedrückt machen oder er kann dich auf eine große Reise zur tieferen Wahrheit unseres Daseins schicken.
Was ist dieses Leben?
Wenn der Tod kommt und alles wegnimmt, was ist dieses Leben? Welche Bedeutung trägt es, wenn man gegenüber dem Tod so machtlos ist? Denke daran, es ist nicht nur die eine Freundin, die im Sterbebett liegt. Jeder liegt in seinem Sterbebett. Nach der Geburt liegt jeder im Sterbebett. Das geht nicht anders. Denn nach der Geburt ist eines ganz sicher: Das ist der Tod.
Auch du stirbst, nicht nur die Freundin dieses Mannes. Vielleicht stehst du ein wenig weiter weg in der Warteschlange, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit. Jemand stirbt heute, jemand morgen, jemand übermorgen. Was ist der Unterschied? Die Zeit kann keinen großen Unterschied machen. Zeit kann die Illusion von Leben erschaffen, doch das Leben, das im Tod endet, kann nicht das wirkliche Leben sein. Das muss ein Traum sein. Ich möchte dich darauf aufmerksam machen. Dann kannst du die Suche nach dem Stier beginnen.
Die spirituelle Suche ist eine Suche nach dem wirklichen Leben, dem wahren Leben,
das keinen Tod kennt.


Leben ist nur wirklich, wenn es ewig ist. Wo wäre sonst der Unterschied zwischen einem Traum und dem Zustand, den du Leben nennst? In der Nacht, wenn du tief schläfst, ist der Traum genauso wahr wie alles andere auch. Der Traum scheint sogar noch wirklicher als das zu sein, was du mit offenen Augen siehst. Am Morgen ist dann alles vorbei. Es bleibt nicht einmal eine Spur übrig. Am Morgen, wenn du aufwachst, dann siehst du, dass es ein Traum und nicht die Wirklichkeit war.
Dieser Traum vom Leben zieht sich über ein paar Jahre hinweg. Dann erwacht man plötzlich und das ganze Leben zeigt sich als Traum.
Der Tod ist eine große Offenbarung. Wenn es keinen Tod gäbe, dann gäbe es keine Religion. Nur aufgrund des Todes existiert Religion. Ein Buddha wird durch den Tod geboren. Alle Buddhas werden geboren, weil sie sich des Todes bewusst sind.
Auszug aus Kapitel 2

Transformation im Leben und Sterben

Von der Illusion des Getrenntseins zum Bewusstsein der Einheit

Um die Transformation des Sterbeprozesses zu verstehen, und auch die Transformation des inneren Erwachens, die bereits im Leben möglich ist, hilft es uns, das umfassende Geschehen in der Entwicklung des Bewusstseins zu verstehen.
Wir leben in einem begrenzten Bewusstsein, den wir das mentale Ego nennen. Diese Identifikation mit einem künstlichen engen Selbst ist die Ursache unseres Leidens und unseres Lebens in einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit.
Ein klares Verstehen der Übergänge im Sterbeprozess und des Weges zu einer erfahrenen Gnade lassen innere Ängste und Widerstände schmelzen, und öffnen den Weg zur Rückkehr in das wirkliche Selbst, das sich eins weiss mit dem Ganzen, und den Tod nicht als das Ende seines Daseins erfährt, sondern als Übergang in die Dimension des formlosen ewigen Daseins, den Urgrund des Seins.
Diese Texte bilden eine Synthese aus den Erkenntnissen der Transpersonalen Psychologie, den Einsichten verschiedener Weisheitstraditionen, den Lehren spiritueller Lehrer aus Gegenwart und Vergangenheit, und Veetman´s Erfahrungen und Beobachtungen in der Begleitung Sterbender.
Ein klares Verstehen der Übergänge im Sterbeprozess und des Weges zu einer erfahrenen Gnade lassen innere Ängste und Widerstände schmelzen, und öffnen den Weg zur Rückkehr in das wirkliche Selbst, das sich eins weiss mit dem Ganzen, und den Tod nicht als das Ende seines Daseins erfährt, sondern als Übergang in die Dimension des formlosen ewigen Daseins, den Urgrund des Seins. Wir brauchen einen weiten Überblick über menschliche Entwicklung aus der Perspektive der Transformation, der die Muster der fortschreitenden und aufeinander folgenden Ausdehnung des menschlichen Bewusstseins beschreibt, von Anfang an bis zum Ende des Lebens in körperlicher Form.

In diesen Texten werden wir in mehreren Schritten das Ego klar verstehen, und dann erforschen, wie wir uns aus dieser tiefen Identifikation befreien können, um in der Freiheit unseres wirklichen Selbst leben und sterben zu können. Das bewusste Erkennen der Mechanismen und die aktive innere bewusste Arbeit an der Befreiung aus den zwanghaften Mustern des mentalen Ego ist die wirkliche spirituelle Transformation, nach der viele suchen, aber nicht die Klarheit und den Mut finden, in das Unbekannte des authentischen Wesens zu gehen, das grenzenlose Selbst, das keine feste Identität und keine aufgezwungenen Konditionierungen hat, und das sich als eins mit dem Fluss des Lebens erkennt.


Auszug aus Kapitel 3

Die Gnade im Sterben

„Im Sterbeprozess wie auch in der Meditation geschieht ein Rückzug aus dieser Welt, ein sich nach Innen wenden, eine tiefer werdende Erfahrung von Präsenz, eine Haltung der Demut, innere Stille und eine tiefe Erforschung und Frage nach dem wirklichen Selbst .
Und in jeder Erfahrung, im Sterben wie auch in Meditation, werden wir transformiert. In Meditation wählen wir aus, transformiert zu werden, im Sterben werden wir ausgewählt. Beide lassen das Gefühl des Selbst über das beengende “Ich” hinausgehen, das wir immer zu sein glaubten.

Wir betrachten Tod als eine Tragödie in unserem Leben. Ich sehe den Tod jetzt als eine sichere Reise, auf der Qualitäten wie Gnade natürlich entstehen. Zuerst jedoch ist Sterben niemals leicht. Oft ist körperliches Leiden da, auch wenn es medizinisch fast keinen Grund mehr dafür gibt. Und es ist immer seelisches Leiden da. Niemand von uns möchte gerne sterben, selbst wenn der Tod eine Befreiung von lebensunwürdigen Umständen sein kann. Die Tragödie, die wir empfinden, wenn wir eine tödliche Prognose bekommen, bis zu der Erfahrung von Gnade ist schwer und oft einsam - bis wir den Punkt der Hingabe erreichen.

Wir verbringen unser Leben so leichtsinnig an der Oberfläche. Ein Sterbender sagte einmal zu mir: “Ich habe mein ganzes Leben so gelebt, als ob ich bei einer Kostümprobe wäre. Aber Sterben ist sehr wirklich.” Sterben sammelt unsere Aufmerksamkeit im Zentrum unseres Wesens. Wachsamkeit ist der Schlüssel und eine nach Innen gerichtete Aufmerksamkeit ist das Tor. Sterben bringt uns dahin, Meditation bringt uns bereits dahin, während wir leben.
Ich sehe Sterbende, die in der Hingabe ihre spirituelle Wahrheit finden und sich in einen natürlichen tiefen Frieden entspannen. So, als ob die Dimensionen des Göttlichen wie eine Hängematte sind, in die sie sich zurücklehnen und entspannen können und darin große Sicherheit und Wohlbefinden erfahren. Ich sehe Menschen, die leben, während sie sterben. An der Schwelle von Leben und Tod beginnen sich Qualitäten wie Rückzug, ein nach Innen gekehrt sein, ein Strahlen, ein tiefes Gefühl von Perfektion und in Ordnung sein, ein tiefes Gefühl des Wissens und liebevolle Güte, Stille und eine Erfahrung des Göttlichen zu zeigen. Dies sind höhere menschliche Qualitäten, die sich auch durch Meditation entwickeln können.“
Auszug aus Kapitel 3
Anzeichen des näherkommenden Todes


Desorientierung

Der/ die Sterbende scheint manchmal über Zeit, Ort, und die Identität der Menschen um ihn/ sie herum verwirrt zu sein. Gib dich mit deinem Namen zu erkennen, anstatt zu fragen, ob er / sie dich erkennt. In bewussten Momenten könnte der Sterbende über Menschen sprechen, die schon gestorben sind, oder sagen, dass er mit ihnen gesprochen hat, oder Orte sehen, die für dich gegenwärtig nicht sichtbar oder erkennbar sind. Dies ist keine Halluzination oder Reaktion auf Medikamente. Es bedeutet, dass der Mensch einen normalen Abschied vom Leben erlebt und sich auf den Übergang vorbereitet, damit er nicht so überwältigend sein wird.
Akzeptiere diese Übergangszeit. Es ist nicht nötig, dem zu widersprechen, zu rationalisieren, zu erklären, abzuschwächen, oder darüber zu argumentieren, was der Sterbende angibt zu sehen oder zu hören. Höre mit Respekt dem zu, was auch immer der/ diejenige zu sagen hat, erlaube einen völlig freien Ausdruck von Gefühlen, und biete Trost und deine Präsenz durch Berührung und/ oder ruhiges Sprechen, beruhigende Worte und Gesten an.

Inkontinenz

Der Sterbende verliert vielleicht die Kontrolle über Urin- und Darmausscheidung, wenn die Muskeln in diesem Bereich anfangen zu entspannen. Windeln oder Reinigungstücher helfen dabei, den Menschen und auch das Bett sauber zu halten, damit sich der Sterbende weiter wohl fühlt.

Verringerte Urinausscheidung

Die Urinausscheidung verringert sich normalerweise, wird konzentrierter, und bekommt eine teeähnliche Färbung. Dies geschieht aufgrund verringerter Flüssigkeitsaufnahme und einer verringerten Nieren- Zirkulation. Die Krankenbetreuung schlägt vielleicht vor, einen Katheter einzusetzen.

Atemveränderungen
Das normale Atemmuster kann sich mit dem Beginn eines anderen Atemrhythmus verändern. Der Atem kann flach werden, unregelmäßig, schnell oder ungewöhnlich langsam. Ein besonderes Atemmuster besteht aus unregelmäßigem Atem bei flacher Atmung, oder Zeiten ohne Atem von 5 – 30 Sekunden, die von einem tiefen Atemzug gefolgt werden. Der Sterbende kann auch Zeiten eines schnellen keuchenden Atems erleben. Manchmal gibt es beim Ausatmen einen stöhnenden Laut; dies ist keine Bedrängnis, sondern der Klang der Atemluft über den Stimmbändern.

Veränderte Atemmuster sind ganz normal für jemanden, der dem Tod im aktiven Sterben sehr nahe ist, und bedeuten einen verringerten Kreislauf in den inneren Organen und die Ansammlung von Körperabfallprodukten. Den Kopf höher zu legen und den Sterbenden auf die Seite zu legen, kann das Wohlbefinden verbessern.Auszug aus Kapitel 3

Anzeichen des näher kommenden Todes

Vorbereitung auf den Tod eines geliebten Menschen oder Patienten
Der unmittelbar bevorstehende Tod eines geliebten Menschen ist oft eine emotional schwierige Zeit, aber es kann helfen, mit den Geschehnissen umzugehen, wenn wir wissen, womit wir rechnen können.
Die Zeit des aktiven Sterbens beginnt, wenn die Organe ihre Funktion nicht länger aufrechterhalten können, und das Bewusstsein sich vom physischen Körper in seiner Auflösung trennt.

Die körperlichen und emotional- spirituellen- seelischen Anzeichen und Symptome des nahe bevorstehenden Todes, die hier beschrieben werden, sind als Hilfe für Familien und Pflegeberufe gedacht, um die natürlichen Arten von Veränderungen besser zu verstehen, die vielleicht während des Sterbeprozesses geschehen, und wie wir am besten darauf eingehen, in der Hoffnung, dass diese Informationen etwas von der natürlichen Angst und der Hilflosigkeit auflösen können, die oft auftreten, wenn wir einen sterbenden Menschen bis zum Tod begleiten.

Wir wollen verstehen, was in Einklang mit den Werten, Überzeugungen und dem Lebensstil des individuellen Menschen im Sterben geschehen kann, und wie wir den Übergang begleiten können.
Nicht alle diese Zeichen und Symptome werden bei jedem geschehen, und sie werden auch nicht in dieser Reihenfolge geschehen. Jeder Mensch ist einzigartig und muss diese Dinge auf seine/ ihre eigene Weise tun. Der Körper bereitet sich auf die letzten Tage auf folgende Weise vor:

Verringerte Einnahme von Flüssigkeit und Nahrung
Gewöhnlich gibt es weniger Interesse am Essen und Trinken. Erlaube dem Sterbenden, das zu essen und zu trinken, was ihnen gefällt, aber jede Nahrung sollte langsam und in kleinen Portionen gegeben werden. Überlass es demjenigen, zu entscheiden, wie viel und wann sie essen und trinken wollen. Sei vorsichtig mit verringerten Schluckbewegungen, und zwinge keine Flüssigkeiten auf, wenn derjenige kurz darauf husten muss. Notwendige Schluckreflexe sind vielleicht träge. Kleine Stückchen von Eis oder gefrorene Säfte können im Mund erfrischend sein.
Der Körper des Menschen lässt ihn oder sie wissen, wenn er keine Nahrung oder Flüssigkeiten mehr wünscht oder erträgt. Der Verlust dieser Wünsche ist ein Signal, dass der/ diejenige sich darauf vorbereitet, zu gehen.
Dies ist kein schmerzhafter Vorgang. Austrocknung ist für sie nicht mehr unbequem. Glycerinstäbchen können die Lippen und den Mund feucht und angenehm halten. Auch ein kühler feuchter Waschlappen auf der Stirn kann als angenehm empfunden werden.

Verringertes Soziales Interesse

Der/ die Sterbende möchte vielleicht mit einer Person oder sehr wenigen Menschen allein sein. Sprechen ist oft langsam oder schwierig, oder der/ diejenige hat vielleicht überhaupt keine Möglichkeit mehr zu sprechen. Es ist natürlich, sich nicht nach sozialen Kontakten zu fühlen, wenn man sich schwach und erschöpft fühlt. Es kann für den Sterbenden sehr störend sein, wenn mehr als einige Menschen im Zimmer sind.
Denkt daran, Euch in der Betreuung abzuwechseln, aber haltet die Umgebung ruhig und still, und lass den Sterbenden wissen, dass es völlig in Ordnung ist, zu schlafen.
Schlafen

Der / die Sterbende verbringt vielleicht mehr und mehr Zeit schlafend und wird unkommunikativ, verbal unerreichbar, und ist manchmal schwer aufzuwecken. Diese normale Veränderung geschieht auch aufgrund der Veränderungen im Metabolismus der Körpers. Sitze bei dem Menschen, halte sanft seine/ ihre Hand, sprich ruhig und natürlich. An dieser Stelle ist es wichtiger, mit demjenigen zu „sein“, als etwas für denjenigen zu „tun“. Nimm niemals an, dass derjenige dich nicht hören kann; der Gehörsinn ist der letzte, der verloren geht. Der Sinn des Hörens bleibt meistens sehr akut, auch wenn derjenige zu schlafen scheint; sage also nichts in ihrer Gegenwart, das du nicht auch zu ihnen sagen würdest, wenn sie wach wären.




Ruhelosigkeit

Derjenige macht vielleicht ruhelose oder sich wiederholende Bewegungen, so wie am Laken oder an der Kleidung ziehen, oder hat vielleicht Vorstellungen von Menschen oder Dingen, die in unserer Wahrnehmung nicht da sind.
Diese Symptome könnten ein Ergebnis der verringerten Sauerstoffzufuhr im Gehirn und einer Veränderung im Metabolismus des Körpers sein. Sei nicht beunruhigt, versuche nicht einzugreifen oder solche Bewegungen zu unterbinden. Sprich sanft und beruhigend mit dem verwirrten Menschen, um ihn/ sie nicht noch mehr zu verwirren oder aufzuregen.
Massiere ganz leicht ihre Hände oder die Stirn, lies dem Sterbenden vor, oder spiel eine Musik, die du intuitiv als angebracht empfindest. Wenn du kannst, meditiere still an seiner/ ihrer Seite.

Verschleimung

Orale Absonderungen können zunehmen und sich hinten in der Kehle ansammeln. Der Sterbende macht vielleicht gurgelnde Laute, die aus der Brust aufsteigen. Diese Klänge können laut und beunruhigend zu hören sein. Diese normalen Veränderungen kommen von einem Flüssigkeitsungleichgewicht und der Unfähigkeit, normale Verschleimung auszuhusten. Es ist hilfreich, den Kopf anzuheben oder den Kopf des Sterbenden mit Kissen anzuheben, so dass die Absonderungen sich tiefer sammeln und nicht den Würgereflex auslösen. Dreh den Kopf sanft zur Seite und lass die Schwerkraft die Verschleimung abfließen lassen. Du kannst auch den Mund sanft mit einem feuchten Tuch abwischen.

Farbveränderungen

Aufgrund von Veränderungen im Kreislauf werden die Arme und Beine vielleicht kalt, heiß, oder blass. Dies kann besonders in den Extremitäten auffällig sein, wo die Farbe sich in einen dunkleren bläulichen Ton verwandelt. Dies ist ein normaler Hinweis darauf, dass sich der Kreislauf mehr in das Innere zurückzieht, um die wichtigsten Organe zu unterstützen.

Unregelmäßige Temperaturen können das Ergebnis davon sein, dass das Gehirn unklare Botschaften sendet. Halte den Sterbenden warm, wenn sie zu frieren scheinen, aber benutze keine elektrische Heizdecke.

Wenn der Sterbende die Decke ständig wegschiebt, dann gib Ihnen ein leichtes Laken. Dies sind alles Folgen der Auflösung der Elemente, aus denen der Körper besteht, und es ist sehr hilfreich, sie zu erkennen und zu wissen, was derjenige erlebt und wirklich braucht. Schwitzen kann auftreten, und ein Geruch, der aufgrund der vielen physiologischen Veränderungen entsteht, die jetzt im Körper geschehen. Herzschlag und Puls erden vielleicht langsamer, schwächer und unregelmäßig.

Die Erlaubnis geben, zu gehen

Wenn jemand die Phase des aktiven Sterbens betritt, die letzten Tage oder auch nur Stunden, beginnt der Körper den Vorgang, langsam ( oder auch sehr schnell) abzuschalten, der beendet ist, wenn alle körperlichen Systeme aufhören zu funktionieren. Dies ist normalerweise ein geordneter und undramatischer Ablauf körperlicher Veränderungen, die kein medizinischer Notfall sind und keine eingreifenden Maßnahmen erfordern.
Diese körperlichen Veränderungen sind ein natürlicher Weg, auf dem der Körper sich selbst darauf vorbereitet, anzuhalten. Dieses Loslassen kann auch beinhalten, das abzuschließen, was an praktischen Dingen unerledigt geblieben ist, und die Erlaubnis von Familienmitgliedern oder Freunden zu suchen oder zu bekommen, loszulassen.

Ein Sterbender wird meistens versuchen, so lange wie möglich festzuhalten, auch wenn dies manchmal verlängertes Leiden mit sich bringt, um bestätigt zu bekommen, dass die Hinterbliebenen ohne sie/ ihn zurecht kommen werden. Die Fähigkeit einer Familie, den Sterbenden aufrichtig zu beruhigen und ihn von dieser Sorge zu befreien, ist ein großes Geschenk der Liebe, das sie ihm/ ihr zu diesem Zeitpunkt geben können.

Abschied nehmen

Wenn derjenige bereit ist zu sterben, und die Familie in der Lage ist, loszulassen, ist dies die Zeit, auf persönliche Weise Abschied zu nehmen. Es mag helfen, sich zu dem/ der Sterbenden zu legen, eine Hand zu halten, und alles auszusprechen, was du zu sagen hast. Tränen sind normal und ein natürlicher Teil des Abschieds, und müssen nicht versteckt oder entschuldigt werden. Tränen drücken unsere Liebe aus und helfen allen, loszulassen.

Allerdings könnten extreme Emotionen den Sterbenden sehr belasten, so wie jemandem, der auf eine große Urlaubsreise geht, der Abschied sehr schwer fällt, wenn die Zurückbleibenden nicht loslassen können. In diesem Fall ist es besser, für diese Emotionen an einen anderen Platz zu gehen, und ihnen dort Ausdruck zu verleihen, durch Schluchzen, Brüllen, Worte, durch eine Katharsis (seelische Reinigung). Natürlich wollen wir aber vor dem Sterbenden auch nicht unsere wahren Gefühle verstecken, und eine Maske der Fröhlichkeit aufsetzen, auch das wäre für den Sterbenden belastend und verwirrend. Eine subtile Balance zu finden ist für alle hilfreich. An anderer Stelle (in diesem Buch) gebe ich Hinweise, wie wir auf bewusste und sichere Weise mit überwältigenden Emotionen umgehen und sie freisetzen können.

Zur Zeit des Todes

Es kann hilfreich sein, dass die Familienmitglieder und nahe Freunde rechtzeitig darüber sprechen, was zu tun ist, wenn die letzten Momente näher kommen. Zum Zeitpunkt des Todes hört der Atem auf, der Herzschlag hält an, der Sterbende kann nicht mehr aufgeweckt werden, die Augenlider sind vielleicht teilweise geöffnet, die Augen sind starr, der Mund kann sich öffnen, wenn der Kiefer sich entspannt, vielleicht geschieht eine Darm- oder Blasenentleerung, wenn der Körper sich im Tod entspannt.

Der Tod eines Menschen im Hospiz oder zu Hause, auch wenn er ein trauriges Ereignis für Familie und Freunde ist, ist kein akuter medizinischer Notfall.

Auch wenn du das Hospiz , das ev. für die ambulante Betreuung zuständig war, anrufen solltest, ist es nicht nötig, sofort den Arzt, die Polizei oder den Notrufzentrale anzurufen. Wenn der Tod geschehen ist, nimm dir die nötige Zeit, jemanden anzurufen, der dich unterstützt, oder dich auf die Situation seelisch einzustellen.
Es gibt keine Eile! Für dich selbst zu sorgen ist jetzt viel wichtiger.


Auszug aus Kapitel 3

BARDO
- Bewusstsein jenseits des Todes
Das Tibetische Totenbuch  ist eine traditionelle Meditationstechnik der Tibeter, die dazu dient, ein Leben von Bewusstheit und  Meditation in den Übergang zu integrieren, den wir Tod nennen. Das BARDO wird auch `Befreiung durch Zuhören ´ genannt. Es beschreibt die Stadien der Auflösung von Körper und Ego-Persönlichkeit, wie sie vom Bewusstsein während und nach dem physischen Tod erfahren werden. Wiederholtes bewusstes Zuhören ist Teil der Vorbereitung auf ein bewusstes, angstfreies Sterben, und eine bewusste Wiedergeburt.

Für Jahrhunderte wurden diese Texte (Sutren) den Sterbenden laut vorgelesen, - die, wie die buddhistischen Meister sagen, bis zu 3 Tage nach dem Tod alles deutlich hören können- als eine Führung des Bewusstseins durch den turbulenten und oft furcht erregenden Prozess der Auflösung.
Diese CDs vermitteln eine bewusste Sicht über das Sterben: dass es kein Ende ist, das man fürchten muss, sondern ein erstaunlicher und befreiender Höhepunkt unserer Lebensreise, die sich als Möglichkeit wunderbarer neuer Anfänge eröffnet.


Wenn wir das BARDO betreten- den Zwischenzustand, in dem diese Wirklichkeit sich auflöst und die nächste sich noch nicht gezeigt hat- müssen wir nicht das Opfer unserer Ängste und Hoffnungen werden. Stattdessen können wir uns in unserer natürlichen Klarheit entspannen und die Reise stabilisieren. Diese wertvolle Lehre beinhaltet weit mehr als nur eine Veränderung unseres Verstehens des Todes.



Ob wir eine kostbare Beziehung verloren haben, gezwungenermaßen aus einem Traum erwachen mussten, oder dem Verlust unseres körperlichen Lebens ins Gesicht sehen: indem wir diesen meditativen Prozess hören und immer tiefer verstehen, werden unser Geist und unsere Herzen klarer, so dass die Reise von einem Zustand zum nächsten sich von einer tragischen Reise in ein klares Abenteuer durch den strahlenden Raum der großen Befreiung verwandelt.

Vor 700 Jahren legten die tibetischen Buddhisten ihr gesammeltes Wissen über Reinkarnation und künftige Leben nach dem Tod in einem einzigartigen Handbuch für die Nachwelt nieder, einem Leitfaden zu den Bardos, den Seinszuständen zwischen zwei Leben. Das tibetanische Totenbuch, so der Titel, beschrieb exakt, was den Sterbenden auf dem geheimnisvollen Weg durch das Terrain zwischen Tod und Wiedergeburt erwarten könnte.

Mit der letzten Phase der Auflösung löst sich im Sterben das Luft-Element, dieser Bestandteil des Lebens-in-Form, das Skandha des Intellekts, der in seiner Natur gespalten ist, auf.
Wir gehen in das Land der grenzenlosen Bewusstheit ein. Hier beginnen wir vielleicht das Gesicht Gottes zu sehen. Hier beginnt göttliche Kontemplation, sich auf das Einheitsbewusstsein hinzubewegen, die Seele geht in den Geist ein.

An diesem Punkt liest in Tibet ein spiritueller Lehrer oder Begleiter dem Sterbenden aus dem Tibetischen Totenbuch BARDO vor, das ständig den Weg zu seiner oder ihrer Essenziellen Natur weist. Es ist die Überzeugung der tibetischen Buddhisten, dass zu der Zeit, in der ein Mensch in das Todeskoma versinkt, der Intellekt aufhört zu funktionieren. Sie glauben dass, wenn die Wahrheit der heiligen Verse  in die tiefsten Schichten des Bewusstseins eingedrungen ist, diese Worte als ein Führer durch die Passage des Todes verfügbar sein werden.

Der Zenmeister Shunryu Suzuki bereite seine Schüler auf den schwierigen Augenblick vor, in dem seine fühlbare Gegenwart in die Leere entschwinden würde.
„Wenn ich sterbe, wenn ich im Augenblick meines Sterbens leide, dann wisst, dass das in Ordnung ist. Das ist dann der leidende Buddha. Darin ist nichts Verwirrendes. Vielleicht wird jeder zu kämpfen haben, wegen der Qualen des Körpers und auch des Geistes, aber das ist in Ordnung. Kein Problem.

Wir sollten sehr dafür dankbar sein, dass wir einen begrenzten Körper haben…wie meiner oder wie der Eure. Wenn ihr ein unbegrenztes Leben hättet, dann hättet ihr ein echtes Problem.“
Inhalte
Auszüge
Einleitung
Bild

Spirituelle Dimensionen von Leben und Sterben
Institut für Leben und Sterben


Vordelbacher Str. 12     D- 65388 Schlangenbad

Tel.  +49 (0)6129-5199060

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